Die Bäume von Lahres | |
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Die Provinz Obereschne und deren Hauptstadt LahresWir befinden uns in Lahres, Hauptstadt der Provinz Obereschne und Teil des Kurfürstentums Northa. Lahres liegt im Grenzgebiet zu Derven, einem benachbarten Kurfürstentum, mit dem Northa eine viele Zyklen währende Feindschaft verbindet. Auch wenn der letzte Krieg zwischen beiden Ländern bereits einige Jahre zurückliegt, so finden aufgrund des nie verbindlich festgelegten Grenzverlaufs immer noch in einer gewissen Regelmäßigkeit kleinere Grenzscharmützel statt, in denen meist um die Herrschaft über kleinere Bergdörfer und Almen im Grenzgebiet gekämpft wird. Auch aus diesem Grund, ist in Lahres dauerhaft ein Bataillon Infanterie als Garnison stationiert.
Obereschne ist überwiegend landwirtschaftlich geprägt, auf den mäßig fruchtbaren Feldern der Provinz wird vor allem Awkrat, eine recht anspruchslose Gräserpflanze angebaut. Lahres selbst ist die einzige städtische Ansiedlung und beherbergt daher auch sämtliche relevanten Institutionen der kleinen Provinz, inklusive dem Amtssitz des Statthalters. EntwicklungenIm 627. Umlauf p.d. nach der Reichsauflösung reiste ein kurfürstliche Prospektor nach Obereschne, um die Möglichkeiten für den Bergbau in der wenig entwickelten Provinz auszuloten. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde lediglich in zwei Minen Kohle gefördert, die nur in Obereschne selber verwendet wurde, da sich ein Transport über die Berge nicht lohnte.Einige Tage nach seiner Ankunft konnte der Prospektor tatsächlich einen Erfolg feststellen, einer seiner Assistenten hatte in einem kleinen Zulauf der Eschne, unweit von Lahres, Spuren von Elektron gefunden, einer wertvollen Gold-Silber-Legierung. Unverzüglich ließ der Statthalter Jalis erfahrene Bergleute aus den beiden bestehenden Minen rufen, um mit den ersten Probe-Grabungen beginnen zu können. Ferner schickte er auch Boten in die Hauptstadt Rauin und in andere Provinzen, um weitere Bergleute anheuern zu lassen. Als der Kurfürst von den Funden erfuhr, war er sehr erfreut und erließ Befehl, die Garnison aufzustocken um die Provinz besser zu schützen. Lahres stand eine in ihrer Geschichte noch nie dagewesen Entwicklung bevor und die Bevölkerung sah die Chance, von einer unwichtigen Provinzstadt zu einer nicht mehr ganz so unwichtigen Provinzstadt zu werden. Jedoch platzte die bestehende Stadt schon aus allen Nähten und es war undenkbar, dass auf dem bisherigen Stadtgebiet ausreichend Wohnraum für die neuen Bewohner geschaffen werden konnte. So beschlossen der Statthalter Jalis und der Stadtrat, ein komplett neues Stadtviertel anzulegen, um Unterkünfte für die erwarteten Arbeiter bauen zu lassen. Dieses sollte – im Gegensatz zu dem gewachsenen Durcheinander der bisherigen Stadt – den Charakter einer Planstadt haben, mit geraden Straßen, rechten Winkeln und Reihenhäusern, die alle den gleichen Grundriss haben sollten. Letzteres war der Bauleiterin Irod zu verdanken, die mit dieser Gleichheit der Häuser eine Gleichheit der Bewohner untereinander fördern wollte – eine ansonsten in Northa wenig verbreitete Philosophie. Ein unerwartetes EreignisFür den weiteren Verlauf der Geschichte muss man wissen, dass es in Obereschne bereits seit vielen Zyklen keine Wälder mehr gibt und nur noch vergleichsweise wenige Bäume. Dies führte zu einer gewissen Holzknappheit in der Provinz. Mit ein Resultat hiervon ist, dass Holz eher sparsam verwendet wird, wenn überhaupt dann meist nur für Dachstühle. Stattdessen ist Stein das Material der Wahl, dieser wird aus mehreren Steinbrüchen gewonnen, wobei für einfachere Häuser meist Bruchstein verwendet wird, wohingegen die Mittelschicht gerne auf Steinziegelmauerwerk zurückgreift.
Doch schließlich kam der Frühling und auch die Arbeit in den Minen und am neuen Arbeiterviertel konnten wieder aufgenommen werden. Oberste Priorität hatte hierbei die Stadtmauer, da es Befürchtungen gab, die dervensche Armee könne versuche anzugreifen, bevor Verstärkung eintraf. Tatsächlich ritt wenige Tage später ein Bote in die Stadt. Doch er berichtete mitnichten von feindlichen Soldaten – sondern von Bäumen, die die Eschne hinuntertrieben. Die LegendeJalis erkannte die Gunst der Stunde und ließ mit Booten und Netzen die Bäume aus der Eschne holen und an Land ziehen. Er verkündete, dass diese Bäume ein Zeichen der Götter seien und dass Lahres und die neuen Bauten in ihrer besonderen Gunst stünden. Anfangs waren noch viele Bewohner skeptisch oder vermuteten gar eine List Dervens hinter den unerwarteten Bäumen.Als am nächsten Tag jedoch die Überreste eines dervenschen Soldaten in einem der Bäume gefunden wurde, war die Bevölkerung überzeugt: Derven hatte versucht Lahres anzugreifen, doch der Himmel hatten dies verhindert und in seinem Zorn die feindliche Armee vernichtet. Statthalter und Stadtrat beschlossen kurz darauf, die Bäume nun einem anderen, ganz praktischem Nutzen zuzuführen: als Baumaterial für die neuen Häuser. Das bereits begonnene Straßennetz und die fast schon fertiggestellte neue Stadtmauer blieben davon unbeeinflusst, lediglich die Baupläne für die Häuser wurden der geänderten Statik des Baumaterials angepasst. Die bereits bestellten und zum Teil schon gelieferten Steine wurden dabei für die Trennwände verbaut, wobei dies auch dem Feuerschutz diente. Zwar hatte die einheimische Bevölkerung gewisse Bedenken gegen die "Baumhäuser" wie sie sie nannten, allerdings waren deren Bewohner waren weitgehend zugezogene Arbeiter aus anderen Provinzen, die selber bereits in Holzhäusern gewohnt hatten und sich daher nicht daran störten. In der Mitte des Baumviertels wurde – ebenfalls aus Holz – ein neuer Tempel zu Ehren der Götter errichtet.
Was wirklich geschahTatsächlich waren die Gerüchte von einem bevorstehenden Angriff durch Derven maßlos übertrieben. Aufgrund der Abgeschiedenheit der Region erreichte die Kunde von den Elektron-Funden in Obereschne sogar erst im Frühjahr 628 p.d. die dervenschne Hauptstadt Quaburg. Dort stieß diese Nachricht dann auch auf keine sonderliche Beachtung, zu unwichtig erschien Lahres im politischen Gesamtgefüge und zu groß wären die Schwierigkeiten gewesen, eine gesamte Armee – zumal auch noch mit Belagerungsgerät – über die Berge zu bringen. Ferner waren die Truppen Dervens auch noch an anderer Stelle gebunden, so dass nicht mal ernsthafte Angriffspläne gegen Lahres ausgearbeitet wurden. Bei dem Soldaten, dessen Überreste man in Lahres gefunden hatte, handelte es sich um ein normales Mitglied der dervenschen Grenztruppen, die üblicherweise ihrerseits der Grenze patrouillierten. Hierbei war der Unglückliche von einer Lawine erfasst worden, die in jenem Frühling aufgrund des vorangegangenen kräftigen Schneefalles häufig und heftig waren.Diese Lawinen waren letztendlich auch die Ursache für die zahlreichen Bäume auf der Eschne. Eine besonders heftige Lawine hatte dabei einen kompletten Hain mit ins Flusstal genommen. An den Steinen und Uferböschungen unterwegs verloren sie einen Großteil ihrer Äste und Blätter, so dass überwiegend nur noch die Baumstämme in Lahres ankommen. Dass bereits in den vergangenen Jahren nach der Schneeschmelze vereinzelte Bäume auf der Eschne treibend gesichtet wurden, ließ Jalis in seinen Berichten übrigens unerwähnt und wurde auch sonst kaum thematisiert. Das neue Stadtviertel wurde im Herbst 628 p.d. fertiggestellt, eine Rekordzeit, die Jalis vor allem dem leichter zu verarbeiteten Material zuschrieb. Tatsächlich hatten die Bauarbeiter kaum Erfahrung mit dem Bau von Holzhäusern und mussten sich die notwendigen Kenntnisse erst aneignen, so dass der Bau fast genauso lange dauerte, wie wenn man ortsüblichen Steinhäuser errichtet hätte. Der wirkliche Grund für die schnelle Fertigstellung war die gute Organisation durch die Bauleiterin Irod, deren Verdienst von der Nachwelt jedoch kaum gewürdigt wurde. EpilogVereinzelt wurde im Stadtrat in neuerer Zeit gefordert, das Baumviertel wieder abzureißen, sei es um das Holz anderweitig zu verwenden oder aus Gründen des Brandschutzes. Ersteres lohnt sich allerdings allein schon deswegen nicht, da der Neubau aus Stein kostspieliger wäre als was der Verkauf des Holzes einbrächte. Vor allem hängt dem Viertel aber nach wie vor nach, dass die Götter dem Viertel und seinen Bewohnern wohlgesonnen seien.Größere Renovierungsarbeiten an den Häusern werden heutzutage weitgehend aus Stein ausgeführt und so wurden einzelne morsche Wände bereits durch Steinwände ersetzt. Es erscheint also fraglich, ob das Baumviertel langfristig seinen bisherigen Charakter beibehalten wird. Auch wenn sich das Elektron-Vorkommen letztendlich als nicht allzu groß herausgestellt hat, so arbeitet die Mine trotzdem wirtschaftlich und die Legierung ist einer der wichtigsten Exportgüter der Provinz. Und auch wenn Lahres nach wie vor eine relativ unbedeutende Provinzstadt geblieben ist, so hat in Folge der Funde zumindest ein gewisser Wohlstand die Stadt erreicht. Die "Bäume von Lahres" entwickelten sich in der Folgezeit in Northa auch zum Sprichwort für ein unerwartetes Ereignis, das eine eigentlich bedrohlichen Situation ins positive umkehrt. |
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(c) Lakyr | Sayelan.net | 2016-09-18 12:19 GMT |